In letzter Zeit begegnen mir immer mehr Personen und Gruppen, die gern Kärtchen von einer Seite zur anderen schieben. Beispielsweise bei einem Meeting über die ökologische Transformation unseres Dorfes, bei vielen Mittelständlern in der Schweiz und in Deutschland, in einem Online Barcamp und natürlich, schon seit längerer Zeit, bei vielen Open Source Projekten. Auch durch die zunehmende Remote Arbeit sind solche Tools beliebt, da mehrere Personen Kärtchen mit Aufgaben erstellen, einordnen, mit der Maus oder dem Finger einfach verschieben und letztlich erledigen können. Das auf der Kanban-Methode basierende kommerzielleTool Trello hat sich in diesem Zusammenhang, auch dank der Übernahme durch die Firma Atlassian, prächtig im Unternehmensumfeld entwickelt.
Wer die Kanban Methode für Projekte nutzen will, die Daten aber lieber selbst hostet, wird im Free and Open Source Software Umfeld fündig.
Das Projekt Kanboard bietet eine minimalistische und übersichtliche Oberfläche, sowie alle notwendigen Funktionen um ein Projekt zu verwalten.
Was manchmal bei Einsatz von Projekt-Management Software ein wenig übersehen wird, sind die Methoden, auf denen diese Tools aufbauen. Kanban beispielsweise kommt aus der Produktion von „Dingen“ und wurde von der japanischen Firma Toyota 1947 entwickelt um den Materialfluss zu optimieren. Man wollte einen hohen Vorrat von Produktionsmaterialien vermeiden, aber natürlich auch keine Engpässe beim Material haben. Ziel war ein gleichmässiger, harmonischer Workflow, grösstmögliche Transparenz und die stetige Verbesserung der Produktionsprozesse. Die für die ausführenden Mitarbeiterinnen „in Arbeit“ befindlichen Aufgaben sind limitiert (auf 2 oder 3) um nicht die Übersicht zu verlieren. Wenn etwas abgearbeitet worden ist, kann man sich aus dem „Backlog“ eine neue Aufgabe nehmen (Pull-Prinzip). Das Kanban System funktioniert am Besten bei Aufgaben, die von unterschiedlichen Personen ausführbar sind und die sich parallelisieren lassen.
Und da kommt dann auch schon die agile Software Entwicklung ins Spiel. Was bei Toyotas Autoproduktion hervorragend funktioniert hat, kann für Softwareentwicklung nicht ganz falsch sein.
Bei der Kanban Methode gibt es, vereinfacht gesagt, mindestens drei Zustände:
- Das müssen wir machen (ToDo, Backlog)
- Das machen wir gerade (Doing, in Arbeit)
- Das ist fertig (Done, Erledigt)
Von Jeff.lasovski - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19121595
Das Prinzip ist so einfach wie übersichtlich und funktioniert fast überall. Hier noch ein Beispiel aus einem „echten“ Produktionsumfeld. Es handelt sich um eine Station in der Morgan Motor Company, die pro Jahr etwa 800 Autos baut. Wenn man an den drei Zettelkästen vorbeiläuft, weiss man sofort, wie es um die Status dieser Station bestellt ist. Wenn man es detaillierter wissen will, nimmt man eine Karte aus der Box und schaut sich die Details an.
Morgan Motor Company - Kanban System
Achtung :)
Alle in der Theorie einfachen Systeme haben die Tendenz sich sehr schnell zu verkomplizieren. Das gilt auch für das einfache, offene Kanban-System. Man muss die eigenen Abläufe und Regeln beobachten und nach und nach optimieren. Schnell stellt man fest, dass manche Aufgaben wichtiger sind als andere und fängt an zu priorisieren. Manchmal muss es halt schnell gehen, manchmal hat man mehr Zeit. Das führt zu unterschiedlichen Vorgehensweisen auf „Swim Lanes“, die dann wieder in „Fast Lanes“ oder „Slow Lanes“ unterteilt werden und die Kärtchen rutschen dann horizontal immer etwas weiter nach rechts. Die Aufgaben sind dann etwas “fertiger“, aber immer noch „in Arbeit“. Aufpassen muss man auch, dass nicht zu viele Kärtchen parallel bearbeitet werden. Multitasking führt in im Workflow einer Firma meistens zur Verwirrung. Daher sollte die gleichzeitige Abarbeitung von Aufgaben begrenzt werden.
Slogans wie „Stop starting - start finishing“ motivieren dazu, Dinge zu Ende zu bringen. Wenn etwas fertig ist, kann sich das Team der nächsten Aufgabe aus dem Backlog widmen. Das Backlog sollte niemals leer werden :), die Arbeit nie ausgehen. Es ist ein Ansatz, in der sich die Dinge in einer Balance befinden. Automobilfirmen arbeiten schon lange mit solchen Methoden und können ein Lied davon singen wie mühselig es ist, diese Balance herzustellen.
Was ich damit sagen will?
„A fool with a tool is nothing but a fool“
Die Tatsache, dass meine Firma oder ich selbst das jeweilige „latest and greatest commercial projekt management tool“ nutzen, stellt leider nicht sicher, dass Projekte auch tatsächlich gut verwaltet und bearbeitet werden.
Es ist daher mehr als sinnvoll, unabhängig von kommerziellen Tools mal die „reine Lehre“ auszuprobieren um ein besseres Verständnis der Abläufe zu erlangen. In diesem Zusammenhang bietet das freie, nicht kommerziell orientierte Kanboard gute Möglichkeiten die Organisation deiner Projekte auszuprobieren, zu verändern und zu optimieren. Wenn es funktioniert, kannst du Kanboard auch hervorragend produktiv für deine Projekte nutzen.
Falls tatsächlich Features fehlen, oder eine Anbindung an andere Systeme, so kannst du später immer noch auf kommerzielle Tools wechseln. Dann weisst du aber bereits genauer, was du eigentlich willst und kannst die kommerziellen Systeme viel effektiver nutzen.
Kanboard bei Novatrend
Das freie Kanboard kannst du dir bei uns sehr einfach innerhalb deines Webhostings installieren.
Vorbereitungen
Wie immer benötigst du als Erstes eine Domain oder Subdomain und ein kostenloses Let‘s Encrypt Zertifikat.
Hinweis: Aufmerksame Leserinnen dieses Blogs können das Folgende vermutlich schon auswendig, aber es gibt ja auch immer wieder neue Besucher auf der Site, daher hier nochmal die relevanten Screenshots aus dem cPanel :)
Subdomain erstellen
Zertifikat erstellen
Installation
Im Softaculous Apps Installer findest du das Kanboard (https://kanboard.org) Projekt vermutlich am Einfachsten über die Suchfunktion. Es ist ein PHP Script mit einer MySQL Datenbank und stellt keine hohen Anforderungen an den Server.
Hinweis: Kanboard lässt sich natürlich auch ohne Softaculous installieren, die Installation dauert dann aber länger, siehe https://docs.kanboard.org/en/latest/admin_guide/index.html
Kanboard im Softaculous Apps Installer
Vor der eigentlichen Installation musst du im Software Setup die wichtigsten Parameter angeben.
Software Setup
Danach installiert sich das Programm in wenigen Sekunden.
Erfolgreiche Installation
Ein erster Blick auf die neue Website zeigt einen Anmeldebildschirm.
Anmeldung zur Kanboard
Erste Schritte
Nach der Anmeldung als Admin kannst du entweder ein persönliches Projekt (nur für dich) oder ein „normales“ neues Projekt (für mehrere Benutzer) anlegen.
Ich möchte beispielsweise im Garten eine alte Ruine renovieren und eine Mauer bauen. Ich wähle „Neues Projekt“. Vielleicht finde ich ja jemanden, der mir hilft :). Das Projekt benötigt einen Namen, ich nenne es „Ruine renovieren“. Als erste Idee (Karte/Aufgabe) trage ich „Grenzmauer bauen“ ein.
Nun habe ich ein kleines Projekt, das ich mir in drei unterschiedlichen Ansichten ansehen kann. Es gibt einen „Überblick“, eine „Pinnwand“ und eine „Liste“.
Überblick
Kanboard nutzt standardmässig vier Zustände: Ideen, Bereit, In Arbeit und Erledigt. In der Überblick-Ansicht hat man schnell Zugriff auf Aktivitäten, die Menge an Aufgaben, Anhänge und Beschreibungen, also eher Metadaten des Projektes.
Ansicht: Überblick
Pinnwand
Die Ansicht Pinnwand bietet die bekannte Board-Ansicht in der sich die Kärtchen/Aufgaben verschieben lassen. Ich kann beispielsweise die „Grenzmauer“ in einen anderen Bereich schieben. Wenn alle Aufgaben auf den Bildschirm passen ist das eine sehr übersichtliche Darstellung.
Ansicht: Pinnwand
Liste
Irgendwann sind es zu viele Kärtchen für die Pinnwand. Dann hilft die Listansicht. Hier wird für jede Aufgabe eine Zeile benötigt. Insgesamt passen mehr Aufgaben auf den Bildschirm. Nach oben und unten scrollen ist einfach.
Ansicht: Liste
Mehrere Nutzer:innen
Kanboard kann beliebig viele Nutzer:innen haben. Jede Nutzer:in kann Teil einer Gruppe (Team) sein und unterschiedliche Berechtigungen haben (Benutzer, Manager, Administrator). Die Umgebungssprache kann pro Benutzer:in gewählt werden (mehr als 30 Sprachen stehen zur Verfügung).
Jedes Projekt und jede Aufgabe kann Nutzer:innen zugewiesen werden. Innerhalb ihrer Rechte können die Nutzer:innen Aufgaben verschieben, erledigen, anreichern, aufteilen und vieles andere mehr.
Durch diese einfachen Zusammenhänge lassen sich sehr individuelle Workflows erstellen.
Fazit
Das Open Source Projekt kanboard ist eine gute Basis für die Strukturierung und Optimierung von Prozessen. Bei meiner Gartenmauer ist es zunächst ein wenig Overkill, aber vielleicht will ich ja ins „Gartenmauern-Business“ einsteigen, Aufgaben an MitarbeiterInnen vergeben und mein Geschäft weiterentwickeln. Gerade für Gründer:innen von Unternehmen sind solche Überlegungen sehr wichtig.
Link
tl;dr: „Stop starting - start finishing“
Posted from my blog with SteemPress : https://blog.novatrend.ch/2020/08/10/kanboard/