James Stockdale, Kampfpilot und Philosph

James Stockdale (1923 – 2005) war Kampfpilot, Leiter eines Flugzeuggeschwaders, Kriegsgefangener in Vietnam, Vizeadmiral, US-Vizepräsidentschaftskandidat - und Philosoph!

1965 wurde sein Flugzeug (eine kleine A4) über Nordvietnam abgeschossen. Nachdem er sich über den Schleudersitz retten konnte, wurde er gefunden, fast totgeprügelt und geriet in vietnamesische Gefangenschaft, in das berüchtigte Hỏa-Lò-Gefängnis (das "Hanoi Hilton").
7 1/2 Jahre musste er dort verbringen, 4 davon in Isolationshaft. Er wurde regelmässig geschlagen und gefoltert und man versagte ihm die notwendige medizinische Versorgung (sodass seine schwere Beinverletzung nie heilte). Als einer der ranghöchsten US-Offiziere war er eines der Hauptziele des Vietkong für das Erpressen von Geständnissen und Verrat von militärischen Geheimnissen.

Nicht nur, dass seine Peiniger ihn nie brechen konnten, half er auch seinen Mitgefangenen immens, in dem er die Moral aufrecht hielt. Er schuf einen Verhaltenskodex für sich und seine Leidensgenossen, liess die spärlichen Rationen sparen und an die verteilen, die sie am dringendsten brauchten und entwickelte einen Geheimcode unter den Gefangenen, mit dem sie sich in sich stimmige Fake-Geschichten ausdachten, die unter Folter dann im Notfall preisgegeben wurden.
Als er 1969 öffentlich auftreten sollte bei einer Propaganda-Parade, schnitt er sich mit einer Rasierklinge so sehr an der Kopfhaut auf, dass er nicht mehr "präsentabel" war. Als ihm die Wärter einen Hut aufsetzen wollten, um das zu kaschieren, verdrosch er sich selbst mit einem Stuhl dermassen, dass sein Gesicht so geschwollen war, dass er nicht mehr zu erkennen und somit als Propagandatrophäe untauglich war. So wird es zumindest berichtet.

1973 wurde er nach Friedensverhandlungen ("operation homecoming") freigelassen. Er konnte zwar durch seine Beinverletzung nicht mehr in den aktiven Dienst zurück, blieb aber in der Armee und verliess sie im Rang eines Vizeadmirals. Zuletzt hatte er dort das Naval War College (eine Marine-Akademie) geleitet. Später hielt er noch viele Vorträge vor allem über den Stoizismus.

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https://en.wikipedia.org/wiki/James_Stockdale

Was hat James Stockdale so viel Kraft gegeben in dieser jahrelangen Gefangenschaft und Folter? Was hatte ihm geholfen, nicht aufzugeben und damit unterzugehen? Dazu befragt, hatte er geantwortet:
„Ich gab nie die Hoffnung auf, dass ich letztlich alles durchstehen würde. Im Nachhinein betrachtet, gelang es mir, diese schlimmen Erfahrungen so zu gestalten, dass ich sie – so unbegreiflich das klingt – niemals als Teil meines Lebens vermissen möchte!“

Dabei haben ihm unzweifelhaft die Lehren der antiken Stoiker geholfen. Insbesondere das "Handbüchlein der Moral" von Epiktet (* um 50, † ca.138) hatte er verschlungen, als er in Stanford Philosphie studiert hatte. Die Zeilen Epiktets waren für Stockdale "Trost und Geheimwaffe" in seiner Gefangenschaft. Auch wenn in solch einer Extremsituation die äußeren Umstände widrig und komplett außerhalb der eigenen Kontrolle sind, verbleibt einem die Freiheit, zu bestimmen, wie man darauf reagiert und die Integrität und Tugend zu bewahren.

Techniken, das Widrige besser zu ertragen sind (grob vereinfacht und ohne Anspruch auf Vollzähligkeit):

  • Die Vorwegnahme des Unglücks, indem man sich z.B. sagt "ich wußte, dass ich einmal schwer krank werden würde" (oder in diesem Fall "ich wußte, dass ich in Kriegsgefangenschaft geraten könnte")
  • Die "Objektivierung" der Umstände, indem man sich sagt "es ist eine äußere Sache, daher kann es im Prinzip meinem Selbst nicht schaden"
  • Das Akzeptieren der Kausalität der Ereignisse bzw. der Kette von Ursachen, die zu der jetzigen Situation geführt hat. Je nach Spiritualität oder Religion kann man sich sagen "Wenn das Schicksal/Gott es so gewollt hat, dass genau das jetzt passiert, dann ist es eben so". Man kann es auch "Liebe zum Schicksal" nennen, die Amor fati von Nietzsche, jedenfalls sind äußere, nicht beeinflussbare Dinge für Stoiker grundsätzlich gleichgültig.

Hilfreiche Zitate:
"Wir bemitleiden Säuglinge nicht für ihre Unfähigkeit zu sprechen, weil wir es als natürlich ansehen und so ergibt es ebenso wenig Sinn, sich über ein schicksalhaftes bedingtes Unglück aufzuregen, wie deprimiert zu sein, weil man keine Flügel hat wie ein Vogel"
"Weder das Zukünftige noch das Vergangene kann auf Dir lasten, sondern immer nur das Gegenwärtige. Die Last dieses Gegenwärtigen wird Dir jedoch geringer erscheinen, wenn Du Dir in Erinnerung rufst, wie kurz es andauert" (Marc Aurel)
"Nichts im Leben ist letzlich von Bedeutung ausser meine aktuelle willentliche Reaktion auf Ereignisse, die ich per Definition jederzeit selbst wählen kann. Alles Äußerliche ist trivial angesichts meiner natürlichen Fähigkeit, mir meine Meinung über Dinge und Geschehnisse selbst bilden zu können."

Man darf übrigens Akzeptieren nicht mit Resignieren verwechseln. Ein Unglück ist stattdessen als Herausforderung zu betrachten, seinen wahren Charakter zu zeigen und das beste aus der Situation zu machen - für sich und andere! Und das hat Stockdale perfekt umgesetzt.

Quellen:
https://en.wikipedia.org/wiki/James_Stockdale
https://pastoralinnovation.org/bonustexte/das-stockdale-paradox/
Donald Robinson, "Stoizismus und die Kunst, glücklich zu sein", Finanzbuch-Verlag 2022
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