Eltern Sind Auch Nur Menschen

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Meine Eltern 2018

"Eltern sind auch nur Menschen" - war der Titel des Buches den meine Mutter im Traum geschrieben hatte. Sie war ganz aus dem Häuschen am Morgen danach. "Stell' Dir vor was ich geträumt habe!" berichtete sie mir noch völlig von diesem Traum bewegt. ""Ich hatte ein Buch geschrieben, mit dem Titel "Eltern sind auch nur Menschen" und es war ein Riesenerfolg. Über der Schlossbergkreuzung war ein Banner aufgespannt mit dem Titel drauf!"" Es war ein Traum der sie bis zum Ende ihres gesunden Bewusstseins begleitete. Leider hat die Altersdemenz alle diese Erinnerungen ausradiert. Hier möchte ich nun etwas über meine Mutter schreiben, über ihr Leben und die Hintergründe dieses Traumes. Ich habe ihr versprochen dieses Buch zu schreiben wenn ich innerlich zur Ruhe gekommen bin. Mein Gedächtnis ist das eines Elefanten und ich erinnere mich an jede ihrer aufregenden und überaus humorvollen Geschichten genauso, wie an die traurigen und leidvollen. Die lustigen Geschichten sind aber auf jeden Fall in der Überzahl.

Meine Mutter wurde 1932 als Kind deutschstämmiger Vorfahren in Lodž, Polen geboren. Meine Grossmutter wurde als eines von drei Kindern in Sellow, einem Vorort von Lodž, in einer Metzgerfamilie geboren. Auch sie hatte drei Kinder. Meine Mutter und zwei Söhne. Der ältere war 1928 geboren und der jüngere 1938. Die lustigsten Geschichten drehten sich um meine Mutter und ihren älteren Bruder. "Waldi" hatte immer einen Streich im Sinn und meine Mutter konnte ohne Schwierigkeiten dazu überredet werden mitzumachen. Zu dieser Zeit waren Streiche noch richtige Streiche - ohne größeren Schaden. Dazu zählten Dinge zu verstecken die meine Oma brauchte - was sie natürlich nicht so toll fand, wenn sie diese wirklich brauchte. Da mein Opa ein Textilgeschäft hatte, gab es immer etwas das man arrangieren konnte. Meine Oma war eine strenge Mutter mit den älteren Kindern, nur das Jüngste hatte einen Freibrief - wie so oft - all das ungestraft anzustellen, wofür meine Mutter und ihr Bruder in Schwierigkeiten geraten waren. Was meine Mutter nie vergass, war ein Sonntag im Sommer an dem Waldi wieder etwas ausgeheckt hatte. Dazu mussten sie einen Bach überqueren. Der brüchige Steg gab nach und sie landeten beide im Wasser. Dafür gab es dann "Erbsen knien" wie meine Mutter es nannte. Ein Säckchen mit Erbsen wurde auf den Boden gelegt und Waldi mit meiner Mutter mussten dann darauf knien - lange genug um über ihren Unfug nachzudenken. Das ist öfter vorgekommen, aber in Retrospektive meinte meine Mutter immer das sie es verdient hatten. Geschlagen wurden sie nie.

Dann nahm das Unheil seinen Lauf. Einer unbeschwerten Kindheit folgten die Konsequenzen der unmenschlichen Verbrechen gegen die Menschheit die ab 1939 zu beobachten waren. Es gibt auch dazu einige Geschichten, die aber gar nicht lustig sind, sondern sehr traurig und ärgerlich. Deshalb sollen sie hier nicht erwähnt werden. Es kam die Zeit, in der die deutschstämmige Bevölkerung Polen verlassen musste. Die Russen hatten die Wehrmacht besiegt und marschierten in Polen ein. Meine Oma sprach Deutsch, Polnisch, Russisch und Tschechisch fliessend und konnte sich mit den Russischen Soldaten verständigen. Mein Onkel wurde eingezogen und bei einem Fliegerangriff verwundet. Die Frauen und Kinder der Nachbarschaft waren in Sellow auf dem Land. Was meine Mutter immer bekräftigte in ihren Erzählungen aus dieser Zeit, war das freundliche und höfliche Verhalten der Russischen Soldaten. Es half natürlich das meine Oma perfekt Russisch sprach. Dann kam der Moment in dem die Frauen und Kinder der deutschen Familien in Flüchtlingstrecks nach Deutschland zurückkehrten. Wir hatten Verwandte in Tschechien bei denen sie unterkamen um danach in Bayern bei weiteren Verwandten zu landen. Die Nachkriegsjahre waren grausam und die Geschichten darüber wurden nie wirklich berichtet, oder von den Medien verarbeitet. Meine Mutter erzählte mir immer wie sie von meiner Oma eingespannt wurde um Nahrungsmittel zu beschaffen. Sie hatte ein besonderes Talent fürs Verhandeln und auch für das "Klauben" von verbliebenen Kartoffeln wenn die Bauern mit der Ernte durch waren.

Dann kam die Zeit in der katholischen Schule und die vielen Geschichten darüber was für ein Drachen die Oberin gewesen war. In dieser Zeit entwickelten sich enge Freundschaften zu anderen Mädchen, die sie bis ins hohe Alter pflegte. Kein Klassentreffen wurde ausgelassen. Das Schiksal hatte immer etwas für meine Mutter parat und auch wenn sie es mit grossem Humor zu vermitteln vermochte, so waren doch schwierige Herausforderungen fast schon Gewohnheitssachen. Dazu zählte auch ihre erste grosse Liebe. Ein junger Mann dessen Familie einen Industriebetrieb in der Stadt besass hatte ihr Herz gewonnen. Das konnte nicht einfach gewesen sein, da meine Mutter christlich erzogen wurde und aus diesem Grunde auch sehr zurückhaltend war. Schüchtern gar und sehr bescheiden. Ich war selbst bereits ein junger Mann als sie mir die Geschichte erzählte, warum meine Schwester eine Halbschwester war - was mein Bruder und ich erst spät erfuhren und es war für uns auch nie von Bedeutung. Sie war unsere Schwester. Das sie es jetzt nicht mehr sein will ist eine andere Geschichte. Eine der ältesten Geschichten der Menschheit in diesem Falle ist aber jene, in der eine junge Frau den Überredungskünsten eines jungen Mannes erliegt und "beim ersten mal" schwanger wird. Das kann man heute gelasserner sehen, aber 1955 war das noch ganz anders. Man kann sich auch ausrechnen, das meine Mutter bereits 23 Jahre alt war und auch das hat sich natürlich geändert. Damals war es eine echte Schande ein uneheliches Kind in die Welt zu setzen, und obwohl meine Oma eine gute Oma für uns Kinder war, machte sie das Leben meiner Mutter zur Hölle. Das eigentliche Problem lag darin, das meine Mutter wie auch meine Vorfahren protestantisch war und der Industriellensohn katholisch. Ein Eklat. Da gab es auch keine Lösung für. Als dann der Vater des Kindes meiner Mutter anbot ihr eine Wohnung zu kaufen in der sie mit dem Kinde leben könnte - aber er sie in keinem Fall heiraten könne - brach meine Mutter die Beziehung ab. Was folgte, ist für mich bis heute der Grund organisierte Religion abzulehnen: Heuchelei. Die lebt mit organisierter Religion erst richtig auf. Meine Oma hatte ihr ganzes Leben in Polen Dienstpersonal. Ein Mädchen für jeden Dienst. Nun musste meine Mutter das alles machen. Sie tat es einfach, hat mir aber später immer wieder erzählt wie ungerecht sie das fand. Auch in meiner Oma war das schwer wie Blei und sie bat meine Mutter auf ihrem Sterbebett noch um Verzeihung. Der heuchlerische Teil war aber dadurch bedingt, das meine Oma nach der Geburt meiner Halbschwester nur noch Augen für diese hatte. Zur Enttäuschung aller anderen Enkelkinder des gleichen Alters. Wahrscheinlich ist das eben so wie das Leben spielt und diese Adoration für ihre Enkelin hatte dann Jahrzehnte später auch noch ein bitteres Nachspiel.

Ein weiteres mal zog die Familie um. Dieses mal nach Nordrhein-Westfalen - östlich des Ruhrgebietes. Der ältere Bruder meiner Grossmutter hatte sich dort niedergelassen und auch der geliebte Bruder meiner Mutter lebte schon dort. So war es nur logisch das die erweiterte Familie in Reichweite wohnte. Meine Mutter liebte eine grosse Familie. Neben ihrem "Waldi" war auch ihr Onkel Erich - mit Abstand der humorvollste der ganzen Familie - nahe. Obwohl die Familie in Polen eigene Geschäfte führte, lehnten die Männer der Familie das ab und bevölkerten bald als Busfahrer und Busschaffner den öffentlichen Verkehr in der neuen Heimat. Meine Mutter hatte eine Stelle bei Grohe bekommen. Ihre hervorragenden Zeugnisse und ihr angenehmes Auftreten öffneten ihr diese ausgezeichnete Stelle in der Prokura. Schnell war sie beliebt und geschätzt für ihre Genauigkeit und blitzschnelle Auffassungsgabe. Es gibt in diesem Zusammenhang eine sehr interessante Geschichte, die sich mir erst erschloss, als meine Mutter schon in ein Heim für Menschen mit Altersdemenz eingeliefert worden war. In der Zeit seit mir das Verlassen dieses Landes verweigert wurde, fand ich Trost in der Lektüre der Biographie "The Life and Death of Krishnamurti" von Mary Lutyens. Zu meiner Überraschung konnte ich lesen, das Krishnamurti in seinen späteren Jahren eine enge Freundschaft mit Friedrich Grohe entwickelte. Friedrich Grohe war der Chef meiner Mutter. Diesen Umstand fand ich faszinierend und ich kontaktierte Friedrich Grohe und berichtete ihm diesen Umstand, den ich in meiner Verzweiflung als äußerst aufbauend empfand. Leider bekam ich nie eine Antwort - führte dies aber auch auf sein hohes Alter zurück. Trotzdem war Krishnamurti auf einmal sehr nahe - über den ehemaligen Chef meiner Mutter, der sie sehr schätzte. Als ihr ein Angebot gemacht wurde nach Südafrika zu gehen und Grohe Südafrika zu führen, sagten ihr meine Grosseltern das sie gehen kann - die Enkelin aber bleibt bei ihnen. Somit wurde dieser Weg beendet.

Dann lernte sie einen gut aussehenden Mann kennen der in der naheliegenden Kaserne stationiert war - meinen Vater. Alles ging sehr schnell - und wie meine Mutter oftmals später meinte "zu schnell" und mein Bruder war bereits unterwegs als sie heirateten. Sie erzählte mir fünfzig Jahre danach das ihre Eltern meinem Vater gedankt hatten, daß er die Schande von der Familie genommen hätte. Auch dafür bat meine Grossmutter um Verzeihung. Meine Mutter hatte bereits bei Grohe aufgehört als ich das Licht der Welt erblickte. Sie war nun für eine Weile "nur" Mutter, erzählte mir aber auch wie schwer die Zeit in beiden Schwangerschaften war. Mein Vater war keine grosse Hilfe. Aber das war eben so in diesen Jahren. Die Männer schauten Fernsehen und die Frauen schmissen den Haushalt. Speziell in Momenten in denen mein Vater sich unrühmlich verhalten hatte, erzählte sie mir davon das er ein Schürzenjäger gewesen war. Sie nahm es hin, aber es war auch klar das es sie zutiefst verletzte. Schliesslich war meine Mutter eine sehr attraktive Frau und es gab viele Verehrer, die ohne zu zögern meines Vaters Stelle eingenommen hätten. Es wurde mir irgendwann auch klar das - als ein Grund für Asthma auch psychisches Leid in Frage kam - es auch bei uns so gewesen sein musste und mein schweres Asthma nicht nur der schlechten Luft am östlichen Rande des Ruhrpotts zuzuschreiben war. Da war ich drei Jahre alt. Das Astma verschlimmerte sich stetig und ich bekam Unmengen an Penicillin gespritzt. Dadurch kam es zu einer Entwicklung, die meine Geschwister nie akzeptiert hatten. Meine Mutter hatte eine symbiotische Beziehung zu mir entwickelt, basierend auf dem Umstand das sie für den größeren Teil des letzten Jahres vor unserer Umsiedlung aufrecht im Bett schlief um zu verhindern das ich auf die Seite in eine horizontale Position gerutscht wäre. Ich wäre schlicht erstickt. Diese enge Verbindung führte auch dazu das meine Mutter übervorsorglich wurde. Sie entwickelte eine Abneigung gegen alles was für uns Kinder gefährlich werden könnte. Meine Halbschwester war davon nicht so sehr betroffen, da sie ja fünf, beziehungsweise sechs Jahre älter war als wir. Das Bild einer Glucke die ihre Küken wie eine Löwin verteidigt passte sehr gut zu unserer Mutter. Aber gerade für mich bedeutete ihre Fürsorge und Angst das mir etwas passieren könnte eine starke Einschränkung dessen, was Jungs im respektiven Alter normalerweise machen können, oder womit sie wegkommen. Dazu gehörten "auf Bäume klettern", "auf's Eis gehen", "in den See springen", "Fahrrad fahren" und natürlich später Moped, Motorrad und Auto. Alles Sachen denen meine Mutter skeptisch, wenn nicht ablehnend gegenüber stand. Sie liebte es wenn alle am Küchentisch versammelt waren.

Es war sehr schwierig für sie ihre erweiterte Familie zurückzulassen nachdem die Ärzte meine Eltern angewiesen hatten entweder ans Meer, oder in die Nähe der Alpen zu ziehen um mein Asthma zu heilen. Das es dann Bayern wurde lag daran, das ein kleiner Teil der Familie auch südlich von München lebte. "Onkel Henjo" war ein Onkel meiner Mutter und beim Nachrichtendienst tätig. Zusammen mit "Onkel Erich" und "Onkel Leo" formten sie den humorvollsten Kern der gesamten, zahlreichen Familie. Meine Mutter liebte Onkel Henjo und Tante Gretga sehr. Der Humor von beiden war sehr trocken und jedes mal wenn sie uns besuchten, oder wir bei ihnen zu Gast waren wurden Tränen gelacht. Obwohl meine Mutter nie behauptete eine gute Köchin zu sein, war sie in der Lage die schmackhaftesten Gerichte zuzubereiten. Und das obwohl sie wirklich drei Jobs und vier Kinder hatte. Mit dem "vierten Kind" bezog sie sich auf meinen Vater. In Bayern hatte sie eine sehr erfolgreiche Karriere als Immobilienmaklerin begonnen, die sie bis ins hohe Alter fortführte. Ihr erster Chef, der später ihr Geschäftspartner wurde, war ein Bayer mit langer Tradition und altem Stammbaum. Die beiden waren ein Bild das man nicht vergessen konnte. Ich erinnere mich sehr gut an das erste Büro das sich noch im Wohnhaus in der besten Lage des Ortes befand. Nach der Schule lag es auf dem Weg nach Hause und oft wartete ich auf meine Mutter, die manchmal bis in den frühen Nachmittag beschäftigt war. Dann eilte sie nach Hause um Essen zu kochen. Ich war immer an ihrer Seite, speziell wenn es um's einkaufen ging. Allerdings erzâhlte sie mir immer gerne wie kritisch ich war wenn es darum ging in den Ort zu gehen, der eine halbe Stunde zu Fuss entfernt war. Und sie hörte auf mich, wenn ich ihr sagte das die Sachen die sie anhatte nicht zusammen passten. Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten. All diese Begebenheiten hatten eine sehr enge Verbindung hergestellt und die anderen Kinder waren schon sehr selbständig und gingen ihre eigenen Wege. Ich war auch das letzte Kind, daß das elterliche Haus verliess. Aber selbst mit einer eigenen Wohnung würde ich sie fast täglich besuchen - nicht nur des Essens wegen. Wir liebten es bis in die Puppen zu philosophieren. Diese Verbindung gab es nur mit meiner Mutter. Mein Vater ging immer früh zu Bett, da er auch als erster aufstehen musste. Ihre dreifache Auslastung hatte natürlich auch sehr grosse Vorzüge. Als wir Kinder grösser waren konnte sie sich mehr ihren Immobilien widmen und dies wiederum bescherte der Familie einen gewissen Wohlstand. Es war meiner Mutter zu verdanken, das wir zweimal im Jahr Urlaub in Italien machen konnten. Meine Mutter wie auch mein Vater liebten Italien. Für uns Kinder war das ein Glücksfall - Spaghetti, Pizza, Gelati, Porchetta und der Strand waren ein Traum. Meine Eltern würden diese Tradition fortführen - auch, oder gerade nachdem wir alle unsere eigenen Wege gingen. Eine Geschichte erzählte sie immer wieder.

Wir waren alle zu einer Bootsfahrt auf einem Fischkutter unseres Familienfreundes "Antonio" eingeladen. Antonio hatte mehrere Restaurants - unter anderem auch in Deutschland. Wir hatten ihn 1973 kennengelernt - bei einem Abend in seinem Restaurant. Er bestand darauf uns Jungs jedem eine eigene Pizza zu machen - ohne Bezahlung. Diese Pizza habe ich bis heute nicht vergessen. Es war auch die Lieblingspizza meiner Mutter: "Frutti di Mare". Meine Mutter hatte eine magische Anziehungskraft was gebildete und humorvolle Menschen anbelangte. In kürzester Zeit würden die nettesten Leute den Strand mit uns teilen. Das war auch der Grund warum das Boot sehr schnell voll war und wir in die blaue Adria segelten - bis die Abruzzen klein wurden. Das Wasser dort draussen war von atemberaubender Schönheit - glasklar, blau und ohne Boden. Drei Kilometer weit draussen stoppte Antonio das Boot und wir waren aufgefordert schwimmen zu gehen. Lange bevor ich mich in Hawai'i ins tiefblaue, ungründige Wasser stürzte, war dieser Ausflug in die Adria ein echtes Abenteuer. Wir alle klatschten uns ins warme Nass und drehten unsere Runden um das Boot. Wie lange das so ging weiss ich allerdings nicht mehr. Vielleicht eine halbe Stunde. Dann kletterten wir zurück auf das Boot. Bis auf meine Mutter waren alle schon wieder an Bord. Plötzlich tauchte Antonio mit einem Gewehr auf. Im gleichen Moment als meine Mutter dabei war die Leiter zu ergreifen und herauszuklettern, gab sie einen Schrei von sich: "Karl, lass das!" Aber mein Vater war schon wieder auf dem Boot. Sie fragte während sie hochkletterte und sich umdrehte "Wer hat mir da gerade auf den Hintern geklappst?" - aber da war niemand mehr im Wasser. Ein Haifisch hatte Notiz genommen von dem ganzen Getümmel und mit der Flosse meiner Mutter einen Klapps gegeben. Antonio packte das Gewehr wieder schnell weg und ausser ihm hatte keiner den Haifisch gesehen. Es war diese Geschichte, die sie mmer wieder gerne zum Besten gab.

Auch wenn sie es uns nie wirklich zum Vorwurf machte, sie hat sehr unter dem Umstand gelitten das sowohl mein Bruder als auch ich in der Folge auf Hawai'i gelandet waren. Obwohl wir sie immer eingeladen hatten, konnte sie sich nie dazu bringen in das Flugzeug zu steigen. Meine Mutter hatte sehr grosse Angst vor dem Fliegen. Nur nach Gran Canaria schaffte sie es einmal, zusammen mit meinem Vater, meiner Halbschwester und ihrem Schwiegersohn - als Babysitter. Der Schwiegersohn hatte selbst so seine Schwierigkeiten mit dem Fliegen und die beiden schlickerten sich die Flugangst weg. Das ist aber nicht so einfach von Deutschland nach Hawai'i. Da müsste man schon sehr viel Alkohol zu sich nehmen. Auch mein Vorschlag die Flugstrecke in Etappen aufzuteilen konnte sie nicht dazu bewegen uns im Paradies zu besuchen. Es gab noch einen weiteren Grund dafür das sie uns nie besuchen konnte: beginnend im Jahr 2000 packte meinen Vater das Umzugsfieber. Obwohl sie jedes mal anderer Meinung war, gab sie meinem Vater immer nach und packte alles ein - und wieder aus. Und wieder ein - und wieder aus. So ging das bis 2018 das Jahr in dem sie ihren letzten Umzug machten. Meine Mutter musste immer lachen wenn ich meine Eltern "Statler und Waldorf" nannte - die beiden Senioren auf dem Balkon im Muppet Theater. Die Beschreibung war jedoch sehr nahe an der Wirklichkeit. Meine Eltern konnten ausgiebig miteinander hackeln. Nicht streiten, obwohl sie das auch taten als sie jünger waren. Sie machten es auch nur in der Gegenwart von Familie. Ihr kleiner Bruder hatte diese Begabung noch ausgeprägter, deshalb lag die Vermutung immer nahe das es sich dabei um ein Familienerbe handeln musste. Ein besonderes Erlebnis war es auch mit den beiden im Auto zu fahren. Für meine Mutter war alles über fünfzig km/h schon schneller als notwendig. Mein Vater, dessen kraftfahrerische Fähigkeiten im Alter aber sehr zurückgegangen waren, liebte es eher zügiger. Das waren dann die besten Statler und Waldorf Momente. Meine Mutter auf dem Rücksitz "Pass auf!", "Ras' doch nicht so!", oder nur lauthals "Karl!!!" Deshalb war sie auch immer sehr angetan wenn ich sie chauffierte. Da konnte sie sich entspannen. Mir machte es auch grossen Spass die beiden auszufahren. Ob zum Einkaufen, oder Essen gehen - beide Aktivitäten waren meiner Mutter allerliebst. Es war manchmal schwierig sie davon zu überzeugen das man keine neuen Kleider brauchte. Oder wollte. Sie liebte es einfach anderen eine Freude zu machen. Dies ist ihr auch bis zum Schluss ihres gesunden Bewusstseins immer wieder gelungen.

Ich vermisse meine Mutter sehr und bedaure das sie das Buch "Eltern sind auch nur Menschen" nicht mehr erleben wird. Aber sie war immer davon überzeugt, das Elternsein eine Gratwanderung ist und sie zitierte oft die Worte eines weisen Menschen der da sagte "Erziehung ist ein Prozent Vorbild und 99% Liebe" - wobei ich mich im Verhältnis täuschen mag, aber für meine Mutter war die Liebe zu ihren Kindern das Wichtigste im Leben. Ging es ihren Kindern gut - ging es auch ihr gut. Ging es den Kindern schlecht und hatten diese Probleme - so hatte auch sie eine schwierige Zeit. In diesem Zusammenhang darf ich aber auch einen ihrer Lieblingssprüche ihres Lieblingsbruders zum Besten geben. Den hat sie immer angewandt, wenn es wieder besser ging:
"Hast Du Kummer mit den Deinen - trink Dir einen.
Ist der Kummer dann vorbei - trink Dir zwei.
Hast Du neuen Kummer zu erhoffen - dann bleib gleich besoffen."
Dieser Spruch erheiterte sie jedes mal, wenngleich "besoffen" nie auf sie zu traf. Sie beliess es bei "einen" und "zwei".

P.S.: Leider habe ich keinen Zugang zu einen besseren Foto meiner Mutter, aber man kann sehen was für ein Mensch sie war.

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