Warum Kennzahlen momentan einen in die Irre führen

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Ja, ich bin ein langweiliger Mensch. Obwohl ich in fast allen Dingen im Leben extrem progressiv und liberal eingestellt bin, bin ich im Finanzfragen oftmals sehr konservativ. Trotzdem bricht ja immer wieder einmal ein wenig der risikoliebende Freigeist hevor. Trotzdem zähle ich mich zu den Buy & Hold-Investoren mit einem enormen Hang zu Dividendentiteln.

Natürlich wird man mit solchen Titeln nicht über Nacht wohlhabend. Und sicherlich gibt es auch wesentlich bessere Möglichkeiten sein Geld zu mehren. Als Investor finde ich es aber attraktiv in ein Unternehmen Geld zu geben und dann bei den Gewinnen entsprechend beteiligt zu werden. Alleine schon den psychologischen Effekt, dass man regelmäßig etwas verdient ist meiner Meinung nach nicht mit Gold aufzuwiegen.

Und natürlich färbt dies auch auf Dauer auf den Bekanntenkreis ab. Ich bin schon recht stolz, dass ich sehr viele Leute dazu gebracht habe eben auch einen eher konservativen Wertpapierlebensstil zu führen. Nun da die Kurse aber langsam wieder nach oben klettern und sich eine V-Formation (oder einer der größten Bullenfallen ever…) abzeichnet, werden viele davon nervös. Immerhin will man die Krise ja doch dazu nutzen ein paar Schnäppchen zu kriegen.

Ich habe bereits viel Pulver verschossen und es wirklich geschafft einige Favoriten nahe des Tiefpunkts abzugreifen. Völlig unbeabsichtigt, da ich eben kein Timing versuche. Es war einfach nur ein guter Preis und da konnte ich nicht mehr anders. Toll das man auch mal Glück hatte.

Bei den anderen bricht dadurch nun aber FOMO aus und man begibt sich hastig auf die Suche nach Aktientiteln. Hastig? Ja, genau! Denn viele haben die letzten Jahre nicht dazu genutzt sich entsprechende Watchlisten zusammen zu stellen und sich schon ein wenig mit den Unternehmen dahinter zu befassen. Und nun wird alles durchgestöbert, damit man noch schnell zugreifen kann.

Dabei gibt es kaum wichtigere Kennzahlen als KGV und Dividendenrentabilität. Die Leute mit dem KGV verspotte ich oft gerne. Immer wenn ich gefragt werde, ob der KGV eines Unternehmens niedrig genug ist, schicke ich ihnen einen Titel zu bei dem dieser negativ ist und frage sie, ob es nicht besser sei, weil der noch niedriger sei :D Böses Gamma… aber wer es begreift, lässt doch recht schnell künftig davon ab. Klar um eine Vorfilterung zu machen, kann man dies gerne auch mal machen.

Gleiches gilt auch für die Dividendenrentabilität. Hier kann man gleich mehrere Fehler machen. Zum einen hat niemand gesagt, dass eine hohe Dividende gut sei. Bei vielen Unternehmen kann dies auch die Notblüte des Vorstandes sein, damit man irgendwie die Aktionäre bei Laune hält, die draußen schon das Fallbeil aufbauen. Gerade wenn dies dann noch über einen Kredit finanziert wird, ist das wirtschaftlich doch sehr zweifelhafter Natur.

Lediglich bei den großen Aristokraten oder eben bei Unternehmen in abgesicherten Geschäftsfeldern macht dies wirklich Spaß. Wächst das Geschäft nicht mehr, braucht man eben auch nicht viel Geld für Investitionen, sondern bedient sich einfach aus dem Bestandsgeschäft. Man muss also immer schon sehr genau hinsehen um festzustellen, ob sich etwas lohnt.

Doch auch bei eigentlich ganz attraktiven Dividendentiteln kann man momentan das Grauen bekommen. Nein, ich will momentan ganz Gewiss keine Lufthansa kaufen. Denn die meisten Jungkäufer machen den Fehler, dass sie die Gewinne der letzten Jahre nehmen und sich regelrecht daran aufgeilen.

Nun da die Kurse besonders niedrig sind, winken einige fantastische Dividendenrentabilitäten. Der Fehler liegt halt darin, dass man nun einfach in die Zukunft projiziert. Halt! Da war doch aber etwas! Corona und so… es gibt eben einige Unternehmen die davon stärker betroffen sein werden als andere. Nur weil die Zahlen nicht da sind, heißt es noch lange nicht, dass sie bescheiden sein könnten.

Gerade heute hat Starbucks die aktuellen Quartalszahlen vorgelegt und die Gewinne sind um 50% eingebrochen. Klar, wie soll man auch etwas verkaufen, wenn die ganzen Läden dicht sind. Ähnlich wird es auch bei McDonalds und anderen Laufen. Wer da nur auf die Dividende guckt, wird sich keineswegs glücklich machen.

Wenn ich nach einer Kennzahl gefragt werden, nenne ich oft den Free Cash Flow. Nur ein schwacher Vorstand erzählt stolz, dass man den Umsatz gesteigert hat. Der geschicktere Vorstand redet von EBITDA und schreibt das halbe Unternehmen ab. Ich will wissen, was am Ende wirklich in der Kasse ist und mir als Aktionär zur Verfügung steht. Nur wenn die Kasse auch wirklich prall gefüllt ist, bin ich froh.

Zum einen weil man tiefer reingreifen kann, zum anderen weil man eben auch die Kohle hat mal eine kleine weltweite Pandemie auszusitzen oder eben auch einfach nur sinnvolle Investitionen zu wuppen. Auch ein Blick auf den Verschuldungsgrad macht Sinn. Fremdkapital muss nicht schlecht sein und kann einen wesentlich größeren Hebel auf das Eigenkapital darstellen. In guten Zeiten freut dies den Aktionär.

Ein Unternehmen, dass aber wie der Junkie an der Nadel hängt und auf absehbare Zeit nicht davon loskommt, kann gerade in solchen Krisen leicht mal ein Opfer der Zeit werden. Oder noch schlimmer, der Staat springt mit der Geldpresse ein und kauft sich großzügig ein. Dann gibt es aber eben Auflagen und als Aktionär schaut man am Ende schnell in die Röhre. Und Staatsbetriebe sind auch nicht unbedingt für ihre Effizienz bekannt. Was will man also mit solchen Unternehmen?

Bisher toi, toi, toi, bin ich mit meiner Strategie gut gefahren und im Portfolio keine Unternehmen gehabt, die besonders stark von der Krise betroffen waren und habe auch bei den Nachkäufen darauf geachtet, dass keine dabei waren. Blackrock als Finanztitel… was stört es den Anlegern von ETFs, dass da gerade Krise ist. Gespart und investiert wird immer. Vermutlich nachdem die Kurse unten waren sogar mehr als sonst.

Alle Unternehmen haben bisher verkündet, dass sie brav ihre Dividende zahlen wollen. Allianz und deutsche Börse sogar mit einer Steigerung, dass ich extrem zufrieden bin, da ich damit schon gar nicht mehr gerechnet hätte. Lediglich bei der BASF schaue ich mit ein wenig Sorge drauf, weil man doch ein wenig stärker betroffen sein könnte.

Natürlich mache ich mir keine Illusion und gehe fest davon aus, dass dieses Jahr noch sehr viele schlechte Nachrichten bereit halten wird. Trotzdem fühle ich mich mit den meisten Titeln gut aufgestellt. Wählt aber stets immer nach dem, was ihr für qualitativ hochwertig haltet und nicht nach irgendwelchen Kennzahlen. Da schlägt Euch jeder bessere Computer beim Vergleichen um Längen und schlägt Euch mit Geschwindigkeit. ;)

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