Postmortem – Derivate

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Persönlich denke ich, dass jede Form von Stillstand stets der kleine Tod ist. Zum Leben gehört immer ein wenig Wandel und das man sich aus den Komfortzonen hinaus begibt. Das ist durchaus auf einer sehr konservativen Art und Weise möglich. Man muss sich nie auf ein gänzlich unbekanntes Territorium wagen, sondern kann auch einfach einmal einen Blick in angrenzende Bereiche wagen.

Man schaut dann entweder was einen Spaß macht oder wo man bereits über solides Wissen wagt und begibt sich dann in eine neue Welt um sich dort etwas Neues zu lernen. Erst vorsichtig um zu sehen, dass man auch wirklich alles richtig verstanden hat und dann eben weiter rein.

Entsprechend habe ich dieses Jahr mich auch dem Thema Derivate gewidmet. Ein Thema, dass bei den meisten Menschen sofort alle Alarmglocken läuten lässt. Wie ist es mir da aber ergangen?

Zertifikate

Mit dem Spieldepot habe ich dieses Jahr durchaus einmal an Knock-Out Zertifikate gemacht. Die Idee dahinter lässt sich eigentlich recht leicht erklären. Normalerweise ist bei einer Aktie das KO bei 0€, da dies defakto den Konkurs des Unternehmens darstellt. Ein Unternehmen ohne Restwert ist ein Todes Unternehmen und es kommt zum Totalverlust.

Was wäre nun allerdings, wenn ein Unternehmen mit einem Kurs von 100 € nun seinen Totalverlust nicht bei 0€, sondern bei 90€ hätte? Ganz einfach, wir würden es hebeln und mit jedem angestiegenen Punkt ein wesentlich höheres Vielfaches bekommen als bei einem normalen Aktienkauf. Das hört sich erst einmal für unsereins mit wenig Kapital richtig geil an. Weniger Geld, mehr Gewinn!

Ja, wäre da eben nicht die Schattenseite. Denn durch den Hebel sind wir eben auch dichter am Totalverlust drin. Denn der Hebel funktioniert eben in beide Richtungen. Ich selbst halte nicht besonders viel von solchen Zertifikaten, da sie eben in den Bereich Trading reingehen. Trotzdem habe ich eben mein „Spieldepot“ bei dem ich einen kleinen monatlichen Betrag angelegt habe um ein wenig den Spieltrieb zu befriedigen. Statt mit größeren Summen ins ungewisse zu Laufen, testet man lieber etwas.

Dadurch das man „Skin in The Game“ hat, lügt man sich nicht so schnell in die eigene Tasche, da man Position beziehen muss. Irrt man sich und es läuft gegen einen, verliert man aber nicht sein ganzes Vermögen, sondern nur einen Teil. Allerdings kann man sehr gut daraus lernen.

Knock-Outs erfordern ähnlich wie beim Trading eine Wette zu formulieren, da sich Verluste nicht einfach aussitzen lassen. Dies gestaltet sich in der Praxis allerdings als nicht ganz trivial. Bereits nach den ersten Trades war klar, dass dies nicht so einfach ist. Satte 80% Verlust gleich mit dem ersten Trade und das ohne das es zum Knockout gekommen ist.

Im Laufe der folgenden Wochen habe ich dann wesentlich mehr Glück gehabt. Gerade die Wasserstoff-Wette auf Nel Asa hat sich für mich richtig gelohnt, so dass ich am Ende bei 100% gewesen bin. Gerade mit dem anfänglichen Verlust kein schlechtes Ergebnis.

Das Fazit ist also: Geil, kann ich jedem Empfehlen? Nein, absolut nicht. Ich habe hier einfach nur sehr viel Glück gehabt und von allen Trades, die ich eingegangen bin, haben sich nur wenige wirklich gelohnt und liefen so wie erwartet. Kauft man etwas, es stürzt ab und kommt danach nur zufällig wieder hoch, ist dies am Ende immer noch eine potenziell gescheiterte Wette.
Viel wichtiger war allerdings eine andere Beobachtung. Obwohl ich den Ruf habe als konservativer Anleger extrem abgebrüht und eine hohe Risikoneigung habe, war diese Form des Handelns überhaupt nichts für mich. Ich merkte, wie mich das ganze „nervös“ gemacht hat. Ich ertappte mich dabei, wie ich immer häufiger auf das Handy schaute und die Kurse verfolgte. Wie ich mit dem Gedanken spielte Stopp Loss einzuziehen, obwohl ich besseres weiß. Schlichtweg, wie mein Handeln irrational wurde.

Zwar mag die Rendite am Ende nett gewesen sein, ich habe aber Zweifel daran, dass dies langfristig funktioniert. Und als passiver Anleger will ich nicht mehr Zeit mit der Entwicklung von Trading haben, da ich dann eben auch einen kalkulatorischen Stundenlohn einziehen muss. Mein Fazit ist daher: Nette Erfahrung, ich bleibe bei Buy & Hold. Der neue Geschäftsbereich wird per sofort eingestellt… ;)

Optionen

Ein zweites Derivat, dass bei mir auf der Lernliste stand waren „Optionen“. Diese sind nicht zu verwechseln mit den „Optionsscheinen“, sondern echte Optionen, die an einer entsprechenden Börse gehandelt werden. Am leichtesten lässt sich dies wie eine „Versicherung“ erklären.

Jemand möchte gerne eine Aktie zu einem Wert von 50€ kaufen. Hat allerdings nun leider kein Geld, sondern erst in 3 Monaten. Das heißt normalerweise, dass er abwarten muss. Oder er geht mit jemanden einen Vertrag ein, dass dieser ihm in 3 Monaten die Aktie zu 50€ verkaufen soll.

Doch warum sollte eine Person einen solchen Vertrag eingehen? Ganz einfach, weil die erste Person ihr eine „Prämie“ bezahlt. Also für das Risiko entschädigt. Sollte die Aktie in 3 Monaten unter 50€ sein, würde der Vertrag keinen Sinn mehr machen. Da die Person es günstiger am Markt einkaufen könnte. Person 2 hätte dann eine Prämie erhalten und keine Konsequenz. Liegt sie darüber, greift die Option. Person 2 verliert die Aktie, hat aber immerhin eine Prämie verdient.

Verkauft man also eine Option, redet man auch von „Stillhaltergeschäften“. Da eben eine Person ein Versprechen eingeht, sich dafür bezahlen lässt und danach eben „stillhalten“ muss um zu sehen wie der Markt sich entwickelt. Solche Optionsgeschäfte sind sehr verschrien als risikoreiche Investition, aber schauen wir es uns einmal näher an.

Nehmen wir an, dass ich eine Aktie kaufen möchte. Diese kostet 50€ aktuell und ich würde sie gerne für 48€ haben. Also ziehe ich eine Buy Order in den Markt. Die Aktie dümpelt immer wieder bei 48,50€ umher, geht dann aber nach oben und am Ende ist sie bei 54€. Ich ärgere mich, dass die Buy Order nicht gegriffen hat und nun ein höherer Preis am Markt eingefordert wird.

Jeder kennt diese Spielchen, wenn er scharf auf eine Aktie ist und am Ende immer ein wenig nachjustiert, nur um sie dann zu kriegen und festzustellen, dass sie plötzlich auf 44€ runter geht ;) Am Ende greift eben FOMO und man will nicht, dass sie nach oben hin abhaut.

Statt dessen kann ich aber auch Stillhalter werden. Ich gebe das Versprechen ab, dass ich die Aktie für 48€ in 90 Tagen kaufen werden. Dafür bekomme ich eine Prämie von sagen wir 5€ vom Käufer ausgezahlt. D.h. man realer Einstandspreis sinkt auf 43€. Sollte die Aktie am Ende der Laufzeit bei 50€ liegen, verfällt die Option wertlos. Man guckt dann in die Röhre, da man die Aktie nicht bekommen hat. Im Vergleich zu dem mit der Buyorder, habe ich allerdings 5€ bekommen.

Liegt sie unter 48€, bekomme ich die Aktie ins Depot eingebucht. Die 5€ behalte ich, so dass ich eben einen besseren Einstandspreis habe. Ich bin besser gestellt als die Person, die die Aktie bereits vor 3 Monaten gekauft hat und nun die gleiche Kursentwicklung mitgenommen hätte.

So betrachtet ist der Handel gar nicht so viel riskanter wie ein normaler Aktienhandel. Er kann sogar profitabler sein. Woher kommt also die Aussage, dass es risikoreicher ist? Nun das kommt davon, wenn man seinen Handel ungedeckt macht. Verkaufen wir Aktien, die wir nicht haben und der Kurs schießt nach oben (siehe Tesla), dann müssen wir spätestens nach 90 Tagen diese Aktien am Markt einkaufen und das kann richtig teuer werden (Defacto ein Leerverkauf). Habe ich die Aktien, ist das Risiko auf einen hypothetischen Verlust begrenzt.

Als konservativer Anleger versteht es sich von selbst, dass ich nur cash covered gearbeitet habe und keine Margin-Trader gemacht habe. Das mag den Profi den Magen umdrehen, aber ich fahre eigentlich ganz gut damit mich vom Risiko fern zu halten und den Weg mit Beharrlichkeit zu gehen.

Was ist aber das Problem? Optionen werden in 100er Kontrakte eines Underlying gehandelt. Wer also nun gerne Amazon handeln will, wird vermutlich schnell nach Luft japsen. Beim Margin-Handel würde der Profi mit der Schulter zucken und einfach eine Gegenposition unter seinem Verkauf setzen, um eine „Range“ zu definieren in der er Spiel machen will. Dadurch muss er nicht das volle Geld hinterlegen, da er selbst abgesichert ist.

Für ich der jede Option mit Geld (oder Aktien) absichern muss, schränkt dies den Rahmen der Unternehmen stark ein, die ich effektiv spielen kann. Eine Aktie bei 50 USD, muss eben mit 5000 USD hinterlegt werden, da eben 100er Kontrakte gehandelt werden. Dazu kommt eben, dass ich nicht spekulieren will, sondern schon Unternehmen haben will, die ich auch vorstellen könnte langfristig zu halten.

Ergo die Auswahl wird sehr stark eingeschränkt. Als Buy & Hold-Anleger sind dies vorwiegend natürlich jene Aktien, die eine starke Dividende ausschütten. Läuft die Option gegen mich und ich bekomme die Aktien eingebucht, will ich im Notfall diese eben halten können und mich über die finanzieren können.

Praxis im Corona-Jahr 2020

Wie hat dies also im letzten Jahr geklappt? Nun das Depot habe ich am ersten Tag des Lockdowns eröffnet und es war schon recht chaotisch alles. Die Theorie habe ich mir bereits in den letzten Jahren erarbeitet, aber nun ging es an die Praxis. Gut das ich in den ersten Tagen noch mit dem Paper Trade unterwegs war, da der gesamte Markt im freien Fall war.

Opportun wie ich nun einmal bin, fand ich das eigentlich sehr geil. Denn ich glaube nicht an den Weltuntergang und das es sich schon wieder erholen wird. Ich schrieb die ersten Puts am Markt. Bereits nach Recht kurzer Zeit gingen die Kurse wieder nach oben und einige Optionen wurden „wertlos“, da die Chance das sie eintreten so gering war, dass ich einfach eine entsprechende Gegenposition „günstig“ erwerben konnte.

Damit war wieder neues Cash verfügbar, dass ich genutzt habe um wieder eine Position zu schreiben. Das war natürlich schon etwas Risiko, da es ja auch hätte ganz anderes kommen können. Auf der anderen Seite mit einer positiven Markterwartung grenzte das schon am Free Lunch.

Nach internen Zinsfuss mit Abgrenzung von länger laufenden Optionen zum 31.12. komme ich zum aktuellen Stichtag heute auf 26,2%. Schaue ich rein auf die Jahresrendite liege ich bei ca. 19,4%. Kein schlechtes Ergebnis für jemanden in der Ausbildung. In den letzten Tagen habe ich dabei erstmals die Erfahrung gemacht, dass eine Wette nicht so aufging wie erwartet. MO lief stark gegen mich und ich habe beschlossen mich nicht freizukaufen, sondern die Aktien eingeliefert zu bekommen.

Ich realisiere dabei einen Verlust von 200 USD bei einer gleichzeitigen Prämie von 406 USD. Dazu gibt es in ein paar Tagen noch ein Declaration Date, so dass ich eine Dividende (86 USD) einstreiche. Noch bin ich unsicher, ob ich danach einen Call Verkaufe um die Aktien wieder los zu werden oder sie eben langfristig ins Depot einbuche.

Knapp 20% hört sich nun natürlich gut an. Doch wie immer gibt es auch Schatten. Denn vorwiegend handelte ich US-Optionen, die eben in USD abgerechnet werden. Dieser lief im letzten Jahr massiv gegen einen, so dass ich knapp 30% Fremdwährungsverluste ins Buch übernehmen muss. Dies schmälert natürlich das Ergebnis.

Auf der anderen Seite interessiert es mich nicht. Der USD kann genauso gut auch wieder mal steigen und es handelt sich somit nicht um realisierte Verluste, sondern nur kalkulatorischen. Das eingesetzt Geld ist langfristig nicht von mir benötigt.

Ich selbst fühle mich nun in diesem neuen Segment bereits ganz gut unterwegs. Das Cash basierte Konto zeigt einige Schwächen auf, da es die Unternehmen einschränkt. Bestes Beispiel ist MO (Altria), dass ich eigentlich gar nicht gekauft hätte für das Buy&Hold. Da es aber in der Range lag, habe ich es genommen. Man merkt also, dass man plötzlich ein Unternehmen im Depot hat, dass man nicht gut findet, sondern man es nur ausgewählt hat, weil es da war. Dies ist eine Sache, die ich künftig kritischer beobachten werde, da es mit meiner allgemeinen Strategie bricht.

Trotz des besonderen Jahres bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Üblicherweise sollte man bei einer Lernphase immer ein paar Rückschläge einkalkulieren. Das es nun aber von Anfang an alles geklappt hat, kann einem schnell die Demut versauen. Das nächste Jahr wird also wesentlich härter ;)

Im Gegensatz zu einigen anderen hier würde ich Optionen übrigens nicht pauschal jedem empfehlen. Gerade der Neuling und Kleinanleger kann in dem Bereich schnell mal abhängen lassen. Wer allerdings bereits eine Weile dabei ist und genügend Reserven hat, sollte durchaus die Zeit investieren dort mal rein zu kommen. Dazu kommt eben, dass ich nicht jedem ein Margin-Handel ans Herz legen würde und die andere Varianten eben doch recht große Cash-Reserven erfordert, damit man solide mitmischen kann.

Für mich als jemand der mit Trading auf den Kriegsfuss steht, bedeuten Optionen das ich mich zu Wetten hinreißen muss. Ich muss eine Idee formulieren und Position beziehen. Im Gegensatz zu einem Day Trading läuft hier allerdings alles in Slow-Motion ab. Es bleibt genügend Zeit seine Idee nochmal zu durchdenken und zu adjustieren ohne das es zu hektisch wird. Ganz im Gegenteil gerade die Zeiträume in denen man stillhalten muss sind geradezu langweilig.

Interessant wird nun vor allem noch einmal die Jahressteuer, da eben viele Positionen nicht in Euro sind, sondern USD. Hier wird man noch ein paar Stunden reinstecken müssen, damit man alles solide macht. Danach skaliert es aber leicht. Zudem schreibe ich mir gerade selbst noch ein bisschen Software, um einige Kennzahlen für mich automatisiert zu prüfen und im Auge zu behalten.

Sorry, für den etwas längeren Text. Da ich nicht viel über Optionshandel hier geschrieben habe, wollte ich ein paar Grundlagen mit einbauen. Über Optionen selbst habe ich hier bisher nichts geschrieben, da ich selbst erst einmal ins neue Thema einarbeiten wollte und eigene Erfahrungen zu sammeln.

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