Wiener Bezirksgericht – In Sache Anton S.

Die Katze

Bitte erheben sie sich, den Vorsitz führt der ehrenwerte Richter Karl Brezina.
Der Richter betritt den Gerichtssaal.

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Richter:
Hiermit erkläre ich die Verhandlung gegen den Angeklagten Anton Schickaneder wegen Tierquälerei mit Todesfolge für eröffnet.
Angeklagter erheben sie sich. Bekennen sie sich für schuldig oder nicht schuldig?

Angeklagter:
Net schuldig, Herr Rat.

Richter:
Haben sie einen Rechtsbeistand?

Angeklagter:
Na, i bin ledig.

Richter:
Ich möchte wissen ob sie von einem Anwalt vertreten werden, nicht ob sie verheiratet oder ledig sind.

Angeklagter:
Aso. Na, Herr Rat, des kann i ma net leistn. Wann mi der blede Grantscherm net auzeigt hätt, warad ma net do und mir kennt‘n uns des Gaunze sporn.

(Ach so. Nein Herr Rat, das kann ich mir nicht leisten. Wenn mich diese blöde, übelgelaunte Person nicht angezeigt hätte, wären wir nicht hier und wir könnten uns das Ganze sparen.)

Richter:
Na, na, keine Beleidigungen im Gerichtssaal, sonst muß ich sie zur Ordnung rufen.

Angeklagter:
T‘schuldigung, Herr Rat, oba es is jo woahr.

(Entschuldigung, Herr Rat, ober es ist ja wahr.)

Richter:
Frau Theresia Grantscherm…

Der Richter räuspert sich, blickt in die Akte und korrigiert sich. Gelächter im Saal.

Richter:
Ruhe in Gerichtssaal. Frau Theresia Bitter soll sie beobachtet haben, wie sie eine Katze, unbekannten Geschlechts in einem öffentlichen Brunnen, Ecke Gumpendorfer Straße und Theobaldgasse ertränkt haben sollen. Was sagen sie dazu.

Angeklagter:
Des stimmt jo goa net.

(Das stimmt ja gar nicht.)

Richter:
Dann erzählen sie mir mit eigenen Worten, was sich an diesem betreffenden Tag ereignet hat.

Angeklagter:
Do muaß i a bisserl aushoin, Herr Rat. A Haberer vo mia hot si a Briaflos kauft und gwunna. Wia vü wü i net sogn, wissns eh Herr Rat, wegn da Steia. I wü eam do net einereitn.
Auf jedenfoi hot a an Urlaub gmocht und is ins Auslaund gflogn und zruck kumma is a mit ana Kotz, ane mit vier Haxn, Herr Rat. Wieso, loß i weg, sunst wird de Gschicht zu laung. Es hot si daun ausagstöt, daß a auf Kotznhoar allergisch is. Er hott daun probiat de Kotz zu schern, de hot daun ausgschaut wia a Viehch aus an Horrorfüm. Des Gaunze hot oba nix brocht, wei de Hoar imma wieda nochgwochsn san.
Er hot de Kotz daun mia brocht und i hobs daun bei mia aufgnumma.

(Da muß ich ein wenig ausholen, Herr Rat. Ein Freund von mir hat sich ein Brieflos gekauft und gewonnen. Wie viel möchte ich nicht sagen, wissen sie Herr Rat, wegen der Steuer. Ich will ihn nicht in Schwierigkeiten bringen. Auf jeden Fall hat er Urlaub gemacht und er ist ins Ausland geflogen und zurückgekommen ist er mit einer Katze, eine mit vier Beinen, Herr Rat. Wieso, laß ich weg, sonst wird die Geschichte zu lang. Es hat sich dann herausgestellt, daß er auf Katzenhaare allergisch reagiert. Er hat dann probiert die Katze zu scheren, die hat dann ausgesehen wie ein Vieh aus einem Horrorfilm. Das Ganze hat aber nichts gebracht, weil die Haare immer wieder nachgewachsen sind.
Er hat die Katze dann mir gebracht und ich habe sie dann bei mir aufgenommen.)

Richter:
Eigentlich möchte ich nicht wissen wie sie zu dieser Katze gekommen sind, sondern was sich tatsächlich an diesem besagten Tag ereignet hat, was letztendlich zur Anzeige von Frau Bitter geführt hat.
Also bitte.

Angeklagter:
Jo, Herr Rat. De Kotz a Auslända, des wissns jo. Aus wöchn Laund sie kummt, mecht i liaba net sogn.

(Ja, Herr Rat. Die Katze ist ein Ausländer, das wissen sie ja. Aus welchem Land sie kommt, möchte ich lieber nicht sagen.)

Richter:
Warum nicht?

Angeklagter:
Wissns, Herr Rat, in da heitigen Zeit muaß ma aufpassn, daß ma nix unpolitisch korrektes sogt. Fia sowos kriagt ma scho mehr aufbrummt ois wia waun ma an ofeilelt.

(Wissen sie, Herr Rat, in der heutigen Zeit muß man aufpassen, daß man nichts unpolitisch korrektes sagt. Für soetwas wird man schon härter bestraft als wenn man jemanden niedersticht.)

Richter:
Also was reden sie da für einen Unsinn. Außerdem heißt es, politisch korrekt.

Angeklagter:
Politisch korrekt? Des gibts wirklich, haßt des, daß Politiker korrekt san, oda wia, Herr Rat. Homs ihna do net vatau.

(Politisch korrekt? Das gibts wirklich, heißt das, daß Politiker korrekt sind, oder wie, Herr Rat. Haben sie sich da nicht vertan?)

Richter:
Äh, sie kommen etwas vom Thema ab, also zurück zum Sachverhalt. Als die oben besagte Katze in ihren Besitz überging, wie kam es dann zu dem Vorfall am Brunnen.

Angeklagter:
Wissns, i bin religiös erzogn wuan und i glaub aun an Gott. I kaun ma a net vuastön, daß ma olle von Offn ostaumman, obwoi's as uns dazön. Do hätt ma jo olle an Ur Ur Ur… Großvota wos a Off woa, na des glaub i net. Oiso hott uns da liabe Gott gschoffn und a de gaunzen Viehchaln, wia Offn und a Kotzen. I bin tauft wuan. Do hob i ma denkt, waun mir uns taufen lossn kennan, wieso net a de Viehchaln.
Do hob i mi entschlossn de Kotz zu taufen, weil‘s jo ausn Auslaund kumma is und waun i des Viehchal scho aufnimm, daunn sois a katholisch sei.
I hob nur a klane Garconniere und bodn geh i imma ins Trepferlbod. Des Woschbeckn bei mia is a recht kla und drum bin i mit da Kotz zum Brunnan gaunga, wei bei ana richtigen Tauf muaß ma gaunz unta Wossa sei, des wiss ma spätastens seitn Johannes.

(Wissen sie, ich bin religiös erzogen worden und ich glaube an einen Gott. Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir alle von Affen abstammen, obwohl sie es uns erzählen. Da hätten wir ja alle einen Ur Ur Ur… Großvater, der ein Affe war. Nein das glaube ich nicht. Also hat uns der liebe Gott erschaffen und auch alle Tiere, wie Affen und Katzen. Ich wurde getauft. Da habe ich mir gedacht, wenn wir uns taufen lassen können, wieso nicht auch die Tiere. Da habe ich mich entschlossen die Katze zu taufen, weil sie ja aus dem Ausland gekommen ist und wenn ich das Tier schon aufnehme, dann soll es auch katholisch sein.
Ich habe nur eine Einzimmerwohnung und gehe immer in eine Badeanstalt um mich zu waschen. Mein Waschbecken ist auch recht klein und darum bin ich mit der Katze zum Brunnen gegangen, weil man bei einer richtigen Taufe, ganz unter Wasser sein muß, das wissen wir spätstens seit Johannes.)

Richter:
Gut, sie sind also an oben besagten Brunnen angekommen. Was ist dann geschehen?

Angeklagter:
Oiso, i bin mit da Kotz zum Brunnan kumma und hob a mei Bibel mitghopt, weil i während da Tauf an Vers vualesen woitt. Wia de Kotz des Wossa gsegn hot, is sie a bissal unrund wuan, de san jo so wossascheich. I hob daunn de Bibel aufgschlogn und mit da rechtn Haund de Kotz unter Wossa druckt. Weils so zoppelt hat hob i miassn de aundere haund a nema, do hots ma durchn Wind de Seitn vablattelt. Es hot hoit a bissal dauat bis i de Seitn wieda gfundn hob. Derweil hot de Kotz aufgheat zum zoppeln, do hob i mi daun leichta tau. Wie i fertig woa mit da Tauf, hob i de Kotz ausn Wossa wieda ausezaht. Sie woa daunn waschelnoß oba a sea entspaunnt.
In den Moment kummt de oide Bitter mit ihrn Pinschpudeldackel daher und faungt mit mia zum schrein au. I zeig ihna au, i zeig ihna au, sie Mörda, hotts gschriean, de oide Funzen.
I hobs daunn links liegnglossn und bin mit da nossn Kotz wieda ham gaunga. Des wor ollas, Herr Rat.

(Also, ich bin mit der Katze zum Brunnen gekommen und habe auch meine Bibel mitgehabt, weil ich während der Taufe einen Vers vorlesen wollte. Wie die Katze das Wasser gesehen hat, ist sie ein wenig unrund geworden, die sind ja so wasserscheu. Ich habe dann die Bibel aufgeschlagen und mit der rechten Hand die Katze unter Wasser gedrückt. Wie sie so zappelte, mußte ich auch die andere Hand zu Hilfe nehmen, da hat es mir durch den Wind die Seite verblättert. Es hat halt ein wenig gedauert bis ich die Seite wieder gefunden habe. Inzwischen hat die Katze aufgehört zu zappeln, da tat ich mir dann leichter. Wie ich fertig war mit der Taufe, habe ich die Katze aus dem Wasser genommen.
Sie war dann sehr naß, aber auch sehr entspannt.
In dem Moment kommt die alte Bitter mit ihrem nicht reinrassigen Hund daher und fängt an zu schreien. Ich zeige sie an, ich zeige sie an, sie Mörder, hat sie geschrien, die alte, unbeliebte Dame.
Ich hab sie dann links liegengelassen und bin mit der nassen Katze wieder nach Hause gegangen. Das war alles, Herr Rat.)

Richter:
Was mich interessiert ist, war die Katze, nachdem sie sie “getauft“ haben, noch am leben?

Angeklagter:
Oba söbstvaständlich, Herr Rat.

(Aber selbstverständlich, Herr Rat.)

Lautes schreien von Frau Bitter:
Liagna, Mörda, schaumans eana. Der liagt do. De Kotz woar hienich, i hobs do gsegn.

(Lügner, Mörder, schämen sie sich. Der lügt doch. Die Katze war tot, ich habe es doch gesehen.)

Der Richter ruft zur Ordnung und mahnt Angeklagten als auch Klägerin sich nicht in ihrer Wortwahl zu vergreifen.

Richter:
Angeklagter, können sie beweisen, daß sich besagte Katze noch am Leben befindet?

Angeklagter:
Das de Frog kummt, hob i ma scho denkt. Drum sitzt mei Nochba mit da Kotz am Gaung draußn. Ea hot a gsegn wia i mit da Kotz von da Tauf ham kumma bin.

(Das die Frage kommt, habe ich mir schon gedacht. Darum sitzt mein Nachbar mit der Katze am Gang. Er hat auch gesehen wie ich mit der Katze von der Taufe nach Hause gekommen bin.)

Der Richter rief den Nachbarn von Herrn Schickaneder in den Gerichtssaal. Dieser bestätigte die Aussage des Angeklagten und zeigte die lebendige Katze vor.
Da das Gericht nicht eindeutig feststellen konnte, ob es sich hier tatsächlich um die besagte Katze handelt, wurde das Verfahren wegen Tötung, eingestellt.
Auch der Vorwurf der Tierquälerei sei nicht eindeutig nachzuweisen.
Das Verfahren wurde geschlosssen.
Die Gerichtskosten gehen zu Lasten des Staatssäckel.


Alle hier vorkommenden Personen sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen wäre rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Außerdem habe ich mir die Freiheit genommen, den Wiener Dialekt so zu schreiben, wie man ihn auch ausspricht.


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