Der nachfolgende Text ist ein Artikel-Ausschnitt aus der neuen Ausgabe Nr. 23 "Die Geschichte der EUdSSR". Eine weitere Leseprobe finden Sie am Ende des Steemit-Artikels. Bestellen können Sie die Ausgabe und das Abo hier: Expresszeitung.com
Der kommunistische Hintergrund der Europäischen Union
Glaubt man der offiziellen Geschichtsschreibung, dann waren die wichtigsten Motive hinter der europäischen Integration, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Montanunion zwischen Westdeutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden erstmals Gestalt annahm, nicht nur die Verhütung eines neuen Krieges in Europa, sondern auch die Schaffung günstiger Voraussetzungen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents. Gemäß dieser Darstellung sei der Nationalismus die größte Gefahr für den Frieden, während die Zollschranken zwischen den einzelnen Nationalstaaten als Hindernisse für die wirtschaftliche Prosperität der europäischen Völker gelten. In seltener Einigkeit wird dieses Narrativ von der Politik über nahezu das gesamte Parteienspektrum hinweg vertreten, von den Massenmedien gebetsmühlenartig repetiert und in der öffentlichen Diskussion kaum jemals hinterfragt.
Das vereinigte Europa gilt gemeinhin als Garant des Friedens, der Demokratie und der wirtschaftlichen Prosperität, und weil die heutige Europäische Union auf der Montanunion, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Westeuropäischen Union der 1950er Jahre aufbaut, wird sogar behauptet, die europäische Integration sei das Projekt einer konservativen oder sogar explizit antisowjetischen Politik, schließlich war u.a. Konrad Adenauer an der Gründung dieser Institutionen beteiligt, dessen antikommunistische Gesinnung unbestritten ist. Doch diese Darstellung unterschlägt vollständig die Vorgeschichte der europäischen Integration, die nicht erst in den 1950er Jahren begann, sondern die mindestens bis in die 1920er Jahre und damit in eine Zeit zurückreicht, als noch ganz offen ausgesprochen wurde, welche revolutionären Ziele mit der Vereinigung Europas in Wirklichkeit verfolgt werden.
Inzwischen hat die öffentliche Meinung vergessen, dass das Konzept der europäischen Integration in einer Zeit erdacht wurde, als in Deutschland und Russland noch die Monarchie herrschte und als es für die meisten Bürger angesichts der verheerenden Zustände in der Sowjetunion noch offensichtlich war, dass es nicht im Sinne ihres Wohlstands und ihrer Freiheit sein konnte, die Ordnung der verschiedenen Staaten aufzulösen und sie in einen künstlichen europäischen Einheitsstaat zu überführen.
Trotzki prägte die Parole der «Vereinigten Staaten von Europa»
Tatsächlich wurde die Errichtung der «Vereinigten Staaten von Europa» bereits im Oktober 1914 – also noch vor der Oktoberrevolution – von dem russischen Revolutionär Leo Trotzki öffentlich zu einem wichtigen Zwischenziel der kommunistischen Strategie erklärt. Vor dem Hintergrund des erst wenige Monate zuvor ausgebrochenen Ersten Weltkrieges schrieb Trotzki, dieser Krieg verkünde den Zusammenbruch der europäischen Nationalstaaten, die «zum hauptsächlichsten Hemmnis für die ökonomische Entwicklung» in Europa geworden seien, weshalb es für das Proletariat nun nicht mehr um «die Verteidigung des überlebten nationalen ‚Vaterlandes‘» gehen könne, sondern «um die Schaffung eines weit mächtigeren und widerstandsfähigeren Vaterlandes – der republikanischen Vereinigten Staaten Europas, als Fundament der Vereinigten Staaten der Welt».(1) Das Proletariat müsse mit der «Methode der sozialen Revolution» die «sozialistische Organisation der Weltwirtschaft» anstreben, um damit dauerhaft den Frieden zu sichern.(2)
Trotzki forderte also nicht nur die Errichtung der «Vereinigten Staaten von Europa», sondern er verband diese Forderung schon damals explizit mit der Behauptung, die Nationalstaaten stünden der wirtschaftlichen Entwicklung des Kontinents im Weg, was die Ursache für den Ausbruch des Krieges gewesen sei. Mehr noch, Trotzki benannte im Jahr 1929 sogar explizit die Kohle und das Eisen als «die grundlegenden Probleme der europäischen Wirtschaft», womit er die zwei Jahrzehnte später verwirklichte Montanunion vorwegnahm, die die europäische Kohle- und Stahlindustrie vereinheitlichte.(3)
Schon im Jahr 1923 hatte Trotzki geschrieben, dass er keine Prophezeiungen abgeben werde, «in welchem Tempo sich die Vereinigung der europäischen Republiken vollziehen, welchen Zentralisationsgrad die europäische Wirtschaft in der ersten Periode […] erreichen wird.» (4) Aber das eine sei klar, «dass die Zollschranken beseitigt werden müssen. Die europäischen Völker müssen in Europa eine Arena der vereinigten planmäßigen Wirtschaft erblicken.»(5)
Dabei wies Trotzki ausdrücklich darauf hin, dass die von ihm als «Arbeiterregierung» oder als «Arbeiter- und Bauernregime» bezeichnete erste Periode der europäischen Integration lediglich «eine Etappe» auf dem Weg «zur Diktatur des Proletariats» sei, was im Klartext nichts anderes bedeutet, als dass die Vereinigung Europas im Anschluss an den Sturz der europäischen Monarchien zunächst auf einer sozialdemokratischen Basis erfolgen würde, woraufhin erst später die Errichtung des Kommunismus folgen sollte. In etwa so geschah es auch: Der Zweite Weltkrieg hinterliess eine europäische Ordnung aus mehreren sozialdemokratischen Staaten, die sich im Laufe der Jahrzehnte immer enger zu einer einheitlichen politischen Union zusammenschlossen.
Das zeigt, dass der inzwischen allgegenwärtigen wirtschaftlichen und friedenspolitischen Begründung der europäischen Integration in Wirklichkeit eine trotzkistische Argumentationsweise zugrunde liegt, auch wenn in der öffentlichen Debatte mittlerweile jeder Hinweis darauf tunlichst verschwiegen wird, dass diese Entwicklung zieldeterminiert zunächst auf die sozialistische Organisation der europäischen Wirtschaft und anschließend der Weltwirtschaft zustrebt, um diese letztlich in den Weltkommunismus zu überführen.
Es ist lediglich dem aufkommenden Konflikt zwischen Trotzki und Stalin geschuldet, dass die Vereinigung Europas in den 1920er Jahren nicht dauerhaft ins Programm der Kommunistischen Internationale aufgenommen wurde, woraufhin Trotzkis Gefolgsleute die europäische Integration in einen antikommunistischen Deckmantel hüllten – der in Wirklichkeit lediglich ein Antistalinismus war – und in bürgerliche Parteien und Organisationen eindrangen, um die Vereinigung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich unter falscher Flagge auf die Tagesordnung der europäischen Politik zu setzen.
Coudenhove-Kalergi: Erfüllungsgehilfe des trotzkistischen Plans
Maßgeblichen Anteil an der ideologischen Tarnung der europäischen Integration hatte Richard Coudenhove-Kalergi, der Gründer der Paneuropa-Union, der offiziell als Initiator der europäischen Vereinigung gilt und dem es gelang, der europäischen Öffentlichkeit die im Trotzkismus wurzelnde Idee eines Vereinten Europas als vermeintliches Bollwerk gegen die kapitalistischen USA einerseits und die stalinistische Sowjetunion andererseits zu verkaufen. Dabei hatte Coudenhove-Kalergi anfangs – bevor Stalin die Kontrolle über Sowjetrussland übernahm und Trotzki ins Exil zwang – das sozialistische Experiment in Russland noch in den höchsten Tönen gelobt, die Einführung einer allgemeinen «Arbeitsdienstpflicht» befürwortet und Trotzki voller Bewunderung sogar als die «Spitze moderner Politik» bezeichnet.(6) Er vertrat die Ansicht, dass «die Voraussetzungen und Ziele des Kommunismus ethischer» seien «als die des Kapitalismus, weil sie von objektiveren und gerechteren Gesichtspunkten ausgehen» und er ging sogar so weit, die damals drohende Ausweitung der kommunistischen Oktoberrevolution auf Europa damit zu legitimieren, dass «Russland im Namen der sozialen Befreiung rüstet», weshalb «Millionen Europäer eine russische Invasion als Befreiungskrieg auffassen würden».(7)
Deshalb könne die Kriegsgefahr in Europa laut Coudenhove-Kalergi nur durch den Abbau der «nationalen» und «sozialen» Unterdrückung gebannt werden, oder in anderen Worten, nur der freiwillige Übergang zu einer quasi sozialdemokratischen Gesellschaftsordnung im gesamteuropäischen Rahmen könne eine gewaltsame Übernahme Europas durch Sowjetrussland verhindern.(8) Offensichtlich lag Coudenhove-Kalergis paneuropäischer Ideologie also bereits von Anfang an eine kaum verborgene sozialistische Zieldeterminierung zugrunde, die mit Trotzkis «erster Etappe» der europäischen Integration unter einer «Arbeiterregierung» korrespondiert. Als die Gefahr einer sowjetrussischen Invasion in Europa zu Beginn der 1920er Jahre offensichtlich war, vertrat Coudenhove-Kalergi die Ansicht, dass Europa dazu bereit sein müsse, einem «pazifistischen Russland, das abrüstet und auf seine Interventionspläne ehrlich verzichtet, ebenso gegenüberzutreten, wie dem pazifistischen England», worin man einen Vorläufer der späteren sozialdemokratischen Politik des «Wandels durch Annäherung» erkennen kann.
Bis dahin jedoch erfordere die sowjetrussische Bedrohung laut Coudenhove-Kalergi ein «paneuropäisches Defensivbündnis», für das sich Jahrzehnte später der Begriff «Europaarmee» etablieren sollte. (9) Und auch dieses Konzept scheint direkt dem trotzkistischen Ideengut entnommen, denn auch Trotzki hatte ausdrücklich ein «enges militärisches und wirtschaftliches Bündnis» in Europa gefordert, das – vom kapitalistischen Amerika isoliert – eine Kooperation mit Sowjetrussland eingehen würde, denn, so versprach Trotzki, «unsere Sowjetunion wird [dem sozialdemokratisch vereinten Europa] den Zugang nach Asien eröffnen und damit Asien den Weg nach Europa bahnen», womit Trotzki bereits im Jahr 1923 das inzwischen aktuell werdende Konzept einer eurasischen Wirtschaftsunion vorwegnahm.(10)
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