Bonobos bewundern ein Kind. Ihnen ist prosoziales Verhalten angeboren. Menschen können sich entscheiden, ob und wie sie sich prosozial verhalten. Bild mit Dank von Wikipedia. Foto von: Magnus Manske.
Was ist Prosozial?
Prosoziales Verhalten ist ein positives, konstruktives, hilfsbereites Verhalten und das Gegenteil von antisozialem Verhalten. Allerdings spielen die Erwartungen darüber, ob sich jemand sozial verhält, für die zwischenmenschlichen Beziehungen eine große Rolle, denn Menschen passen ihr eigenes Verhalten an, je nachdem, ob sie von anderen Hilfe erwarten oder nicht. (Stangl, 2019).
Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik (Stangl, 2019-12-16).
Die Forschung über prosoziales Verhalten lässt sich dem Themengebiet der Positiven Psychologie zuordnen (Peterson & Seligman 2004). Gemäß dem kognitiven Modell der Zuschauer-Hilfeleistung (Latane & Darley 1970) durchlaufen Personen fünf Entscheidungsschritte, bevor sie in einer Notfallsituation präsoziales Verhalten zeigen. So muss die Person das Ereignis bemerken, das Ereignis als Notfall interpretieren, Verantwortung (soziale Verantwortung) übernehmen, eine angemessene Form der Hilfeleistung auswählen und die Handlung schließlich ausführen.
Der Dorsch, Lexikon der Psychologie (2019-12-16).
Von der experimentellen Verhaltensforschung unter Laborbedingungen, bis hin zur Freilandbeobachtung untersuchen Wissenschaftler das Verhalten verschiedener Arten. Die Auswahl der untersuchten Spezies ist kein Zufall. Nach der Feststellung von Verhaltensanalogien zum Menschen, geht es darum heraus zu finden, welcher Teil unseres eigenen Verhaltens genetisch determiniert und was davon während der Sozialisierung tradiert wird. Dazu untersucht man exemplarische Vertreter stammesgeschichtlicher Entwicklungzweige, die ein Verhalten unter Beteiligung offensichtlicher, sozialer Kompetenzen erkennen lassen, sowie auch Ansätze von Ethik. Nicht nur Vögel und Säugetiere zeigen dabei vergleichbare Muster ethischer Strategien, die letzten Endes alle dem Nutzen des Bestandes einer Art dienen. Hier finden wir aber die ausgeprägtesten Verhaltensweisen.
Bonobo – Schimpanse
Im Vergleich ist wichtig zu wissen, dass der Bonobo die einzige Menschenaffenart ist, die Fremde grundsätzlich akzeptiert, anstatt wie Schimpansen, tödliche Fehden mit fremden Rotten auszutragen. Bonobos leben derart entspannt im Hier und Jetzt, dass sie jüngst vom Max-Planck-Institut Leipzig mit dem Beinamen Hippieaffe bedacht wurden.
Wolf – Haushund
Der Wolf zeigt sich wesentlich teamfähiger, als der Haushund. Beim Fressen bekommt jeder was ab. Rang spielt da keine Rolle, weil man auch gemeinsam jagt. Bei den Haushunden macht das rangniedrige Individuum beim Fressen keinen Stich. Es darf mit dem leeren Napf spielen. Ein Ergebnis, das vielleicht aufmerken lässt, aber nicht überrascht, da der Haushund ohne Menschen kein funktionierender Sozialverband ist.
Blauelster. Bild mit Dank von flickr. Foto von: Frank Vassen.
Blauelster – Rabe
Hier haben wir es im Prinzip mit den gleichen Mustern zu tun, wie bei den Säugern Bonobo und Schimpanse. Die Blauelster ist ein überaus geselliger Vogel der sich Fremden gegenüber aufgeschlossen zeigt und sie schnell in das eigene Leben integriert. Beim Raben verhält es sich, wie bei den Schimpansen. Die Vögel leben darüber hinaus in Zweierbeziehungen und lehnen fremde Bekanntschaften ab.
Weiße Ratte – Schwarze Ratte
Die beiden Rattenarten, als Säuger entwicklungsgeschichtlich nicht so weit vom Menschen entfernt wie Vögel, sind sich zunächst fremd. Hier lässt sich aber eine mittlere Zeitspanne für den Prozess des Kennenlernen feststellen. Die artfremden Tiere brauchen etwa zwei Wochen um sich in Notsituationen gegenseitig zu helfen. Das ist die Zeitspanne, die auch beim Menschen festgestellt wurde, denn den haben die Wissenschaftler selbstverständlich auch gründlich untersucht.
Schlüsselexperimente
Schimpanse
Glasboxen. Links ein Schimpanse und einer in der rechten Box. Der Affe rechts erhält eine Weintraube und der links ein Stück Gurke. Die Tiere sehen alles, was sich abspielt. Der Gurkenschimpanse wirft sein Stück weg, fängt an zu kreischen, hüpft und haut mit der flachen Hand auf den Platz vor der Futterluke. Er verlangt, erkennbar empört, dass ihm auch eine Weintraube zusteht.
Wolf in der Nacht. Bild mit Dank von publicdomainpictures.net. Fotograf: mohamed mahmoud hassan.
Rudel
Hund und Wolf sollen Teamgeist im Rudel zeigen. Stelle dir vor, auf einer Wippe liegt Futter. Die klappt nur um, wenn zwei Individuen gleichzeitig je an einem dicken Seil ziehen. Ein Seil alleine funktioniert nicht. Die Wölfe haben das erstaunlich schnell kapiert und achten sogar bei der Futterverteilung darauf, dass jeder aus der Gruppe mal dran kommt. Eine Rotte Haushunde begreift nicht einmal den Versuchsaufbau.
Albinoratte. Bild mit Dank von pixnio.com. Fotograf: unbekannt.
Ratten
Zwei Albinoratten begegnen sich im Experiment. Eine sitzt zwischen zwei schottartigen Falltüren in einer Glasröhre gefangen. Das Geschehen läuft ab, wie nach dem kognitiven Modell der Zuschauer-Hilfeleistung von Latane & Darley (1970). Die freie Ratte durchläuft alle fünf Stadien des Modells und befreit ihren Artgenossen. Im gleichen Versuch lässt die weiße Ratte den schwarzen Artfremden aber einfach in der Falle sitzen. Die erste Stufe, das Ereignis bemerken, funktioniert augenscheinlich noch. Ob überhaupt noch die Notlage bemerkt wurde, lässt sich schon nicht mehr zuverlässig sagen.
Verständlicherweise wird gerne über das Thema geschrieben. Jeder tut das auf seine Art.
Die Hippies unter den Menschenaffen bevorzugen Rüpel
Bonobos… … Weitere Analysen zeigten sogar, dass ihre Präferenz für den Flegel stieg, je schlechter der sich verhielt. Die Forscher vermuten, dass Bonobos Grobheit als Zeichen von Dominanz und damit von hohem sozialen Status interpretieren. Sie stellten sich eher auf die Seite dominanter Charaktere, um besseren Zugang zu Nahrung und Partnern zu erhalten und das Risiko zu mindern, selbst gemobbt zu werden. …
Das Liebesregime der Hippie-Affen
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/nackte-zahlen-sexkolumne/das-liebesregime-der-hippie-affen-82139
Aus der Süddeutschen:
»Sex ist für Bonobos wie Händeschütteln«, sagt der berühmte Primatenforscher Frans de Waal. Er dient den Bonobos zum Vergnügen und vor allem: zum Spannungsabbau und zur Förderung des Gemeinschaftsgefühls. Bonobos hauen sich nicht gegenseitig die Schädel ein, wenn sie schlechte Laune oder Streit haben, sondern vögeln miteinander. Make love, not war. Und das übrigens – im Tierreich eher ungewöhnlich – meist mit einander zugewandten Gesichtern und innigem Blickkontakt.
Sex unter Frauen – gut für Gemüt und Kooperation
https://www.mdr.de/wissen/bonobo-sex-gleichgeschlechtlich-kooperation-100.html
… Die Forscher haben dazu Tiere nahe der Forschungsstation LuiKotale beobachtet – auch ihr Verhalten in der Gruppe außerhalb sexueller Aktivitäten – und Urinproben gesammelt. Heraus kam, dass Tiere, die häufiger Sex hatten, sich häufiger bei Konflikten unterstützen. Diese Kooperation fand vor allem unter Weibchen statt. Vielleicht können Bonobofrauen gerade deshalb einen hohen Stellenwert in ihrer Gesellschaft erreichen: "Es kann sein, dass die größere Motivation für die Zusammenarbeit zwischen Weibchen der Schlüssel zum Verständnis dafür ist, wie Weibchen hohe Dominanzränge in der Bonobo-Gemeinschaft erreichen", so Martin Surbeck vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und der Harvard University. …
Dank Sex mehr Kooperation
https://www.mpg.de/13882764/dank-sex-mehr-kooperation
Aus dem Inhalt der Max-Planck-Gesellschaft:
… „Obwohl es wichtig ist, menschliche Homosexualität nicht mit gleichgeschlechtlichem Sexualverhalten bei Tieren gleichzusetzen“, so Co-Erstautorin Moscovice vom Leibniz-Institut für Nutztierbiologie, „zeigt unsere Studie, dass sowohl beim Menschen als auch bei einem engen Verwandten die Entwicklung des gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens neue Wege zur Förderung eines hohen Maßes an Kooperation eröffnet hat.“ …
Hippie oder Killeraffe?
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-48495971.html
Im SPIEGEL findet man ein köstliches Interview mit dem Primatenforscher Frans de Waal.
… SPIEGEL: Make Love, not War - Bonobos sind berühmt für ihren ungezügelten Sex. Wie wichtig ist er für ihre Sozialordnung?
De Waal: Sehr wichtig. Bonobos haben etwa siebenmal häufiger Sex als Schimpansen. Aber es sind kurze Begegnungen, sie dauern im Schnitt 14 Sekunden. Sex ist bei ihnen wie Händeschütteln. Und sie tun es in allen Stellungen. Diese Kamasutra-Primaten stimulieren sich oral, mit den Händen, sie treiben es sogar kopfüber hängend. Vor allem aber: homosexuell, heterosexuell, in allen Kombinationen. Nur Mutter-Sohn-Sex wird vermieden. Sie haben im Unterschied zu Schimpansen auch dann Sex, wenn die Bonobofrauen überhaupt nicht empfänglich sind. Ich schätze, dass drei Viertel ihrer sexuellen Aktivitäten nicht der Reproduktion dienen.
SPIEGEL: Sondern? …
Der Bonobo und der Atheist
…De Waal wundert sich, dass die anatomische und verhaltensspezifische Ähnlichkeit dieser Menschenaffen zu Ardipithecus, einem Menschen-Urahn, der NACH der Spaltung von Schimpansen und Menschen vor 4,4 Mio Jahren lebte, zu Anfang niemandem auffiel. Es wäre für unser menschliches Selbstwertgefühl doch erfreulich, den „Zwergschimpansen“ (Bonobos), bei denen Mord INNERHALB der Art unbekannt ist, näher zu stehen als den sich zum Teil gegenseitig tötenden großen Schimpansen. …